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71. Kurzfilmtage Oberhausen

Über Grenzen, aus dem Keller, in die Zukunft

Niklas Michels

Vom XXX bis XXX fand in Oberhausen wieder das älteste Kurzfilmfestival – welches nicht unwesentlich für die Etablierung als Medium verantwortlich ist – statt. 500 (die meisten davon Kurz-)Filme. Das Festival schmückt sich mit Prestige-Wettbewerben und thematischen Sektionen. Dabei werden keine Kosten und Mühen gescheut, alte Negative aus Filmarchiven oder aus dem Keller zu kramen, Digitalisierungen in Auftrag zu geben oder Gäste ins Ruhrgebiet zu bringen. 

Eine neue Sektion, die, wie Kurator Lukas Foester versichert, hier ist, um zu bleiben, sind “Omnibusfilme”. Wem der Begriff nichts sagt: Omnibusfilme sind Sammlungen aus Versatzstücken, von verschiedenen Regisseur*innen. XXX, XXX, XXX (um einige bekannte Beispiele zu nennen). Meistens ein fixes Thema, X-amount-of Regisseure, verschiedene Perspektiven. Quasi ein Konvolut aus Kurzfilmen – da ist also der Zugang. Doch das Festival stellt damit Wunder an. Foester analysiert vollkommen zurecht, dass dieses Submedium des Films meist mehr als problematisch-männlich geprägt ist/war. Unangenehm oft geht es so, um Frauen, Sex, Liebe: Die Omnibusfilme werden ein Format um mal den Frust rauszulassen. Dementgegen kuratiert er als Auftakt Sieben Frauen, Sieben Sünden (XXXX), in dem von sieben Regisseurinnen (darunter zum Beispiel Chantal Akerman oder Valie Export), jeweils eine Todsünde filmisch interpretiert wird. Mit Augenzwinkern. Ebenso clever ist der Film Felix (XXXX), in dem verschiedene Affären desselben Mannes von verschiedenen Frauen inszeniert werden. Ein bisschen Woody Allen, ein bisschen Pre-Berliner-Schule, und eine Menge parodierter Stereotype – die damals noch gar keine waren. 

Eine Barrage aus Kurzfilmen, Akten, Traditionen und Schultern mit Badges. Das ist Oberhausen für mich. Warum eigentlich Kurzfilme? Zwischen den Programmpunkten wünsche ich mir beinahe eine Flucht aus den Fragmenten; — Geschichten im weitesten Sinne. Nostalgie für das Unmögliche. 23 Uhr, Festivalbar. Keine Gespräche über Filme; zu viel(e) gesehen. Zu wenig Worte übrig. Alles schon gesagt? Nein! Aber kein Bedarf. Mitten im Festival Schienenersatzverkehr. Hier sind wir trotzdem alle. Daneben auf der Straße — abseits des Spektakels –, ein Altherren Kneipe, ein Spielplatz — mehr Kulturannäherung als im Saal. Wir sind auf einer Insel, wir sind in einer Blase; habe ich eigentlich mit jemanden aus Oberhausen geredet? Oder sind wir alle angereist… abgereist… Kulturtourist*innen?

Oberhausen: Prestige, vor dem die DDR einst Angst hatte. Jetzt schreibt die Lokalzeitung: „500 kuriose Filme starten im ältesten Filmfestival der Welt“. „Kurios“. Was ein feiges Wort! 

Ich wünsche mir, dass wir Filme wieder fürchten. Vielleicht müssen wir das bald sogar. „Bald“, wenn Kunst und Kultur sich (wieder) rechtfertigen müssen. Unangenehm. 

Auch in Deutschland kommt man mit dem voraussichtlichen Kultusminister nicht drum herum, ein düsteres Bild zu zeichnen. 2025, März, Graz, Festival des österreichischen Films: Diagonale. So gut wie jedes Gespräch wird von den faschistischen Machenschaften der Steiermark Regierung überschattet. Plan: die rückwärtsgewandte (und immanent mit Kürzungen verbundene) Politik, in der zwischen „Low“ und „High“ -culture unterschieden wird. „Volkskultur“. Regisseur XXX sagte auf der Eröffnung des Festivals: „Ich bin auch Hochkultur“. Applaus. Wo also ist der Protest in Deutschland? Kommt er erst, wenn wir schon in die Röhre (und nicht mehr auf die Leinwand) schauen? Kurzfilme sind Impulse, entlößt von der Verwertungslogik eines Langfilms. Und wir — Filmliebhaber, Cinephile, Kunst- und Kulturschaffende, Kuratoren, Kritiker, Journalisten und Besucher müssen jetzt darüber nachdenken. 

Beim Schreiben merke ich, dass ich mir beinahe wieder widersprechen will. So stehe ich doch auch nicht für die Position, jeden Kinosaal samt Zuschauer zu politisieren. Doch wegducken soll sich das Kino nun auch nicht. 

Oberhausen, April/Mai 2025, die alte Welt liegt im Sterben. Die neue ist noch nicht geboren. Monster lauern. Kultur ist ein stiller Kannibale und die einzige Flucht ist nach vorn.

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